Heute morgen auf der Biennale in Berlin: Ich komme in die Occupy-Halle. Bin viel zu früh dran. Auf einem Sofa schläft ein Aktivist. Er schnarcht. Ich beneide ihn, denn ich bin spät angekommen und habe nicht gut geschlafen.
Sonst ist alles still in der Halle. Die Revolution findet später statt.
Das ist Occupy
In der Ecke, in die man unseren Stand in einer diktatorischen Entscheidung verfrachtet hatte, sieht es nach fünf Tagen Abwesenheit schlimmer aus als erwartet. Von acht Plakaten hängen noch drei. Der Rest ist verschwunden. 3/8 sind für Occupy aber vermutlich schon ein gutes Ergebnis.
Ich habe englische Übersetzungen für alle Texte angefertigt, Boris hat sie auf extra festen Karton gedruckt. Ein Teil der Arbeit war vergebens. Respekt für unsere Arbeit erwarte ich hier allerdings sowieso nicht mehr. Ob die aufwändig produzierten Drucke der verschwundenen Plakate noch mal auftauchen?
Zwei Bilder hungriger, ausgemergelter Kinder wurden dazu gestellt. Dass das nicht unsere Art der Darstellung des Problems ist, kümmert offenbar nicht. Occupy okkupiert Occupy:Occupy.
Ich bin müde, nicht nur physisch. Eines hellt meine Stimmung aber auf: Immerhin liegen zirka 200 Unterschriften auf dem Tisch vor den Plakaten. Der Stand lief wohl auch von alleine. Leere Unterschriftsbögen waren nicht mehr dort. Offenbar fühlte sich niemand von Occupy zuständig oder in der Lage, leere Listen auszulegen. Letzte Woche wurde Hilfe zugesagt. Sie ist offenbar ausgeblieben.
Während ich den Stand ordne, den Müll wegräume und beliebige andere Plakate und Flyer beiseite räume, die den Tisch füllen, fällt ein Teil des Packpapiers vom Rest der Wand herunter. Ich ignoriere es. Auch jetzt, am Abend, Stunden später, liegt der mittlerweile völlig von der Wand abgelöste Papierhaufen noch dort. Einladend sieht anders aus. Ich warte auf den typischen Aktivisten, der in diesen Augenblicken meist die Erklärung parat hat: Das ist Occupy.
Der Held des Tages …
… ist smirre! Seine Idee der „Einschrittskarte“ ist ein voller Erfolg. Statt am Stand auf sich zufällig verirrende Besucher zu warten, stelle ich mich am Eingang auf und frage so gut wie jeden Besucher, ob er oder sie denn schon eine Einschrittskarte hätten. Fragende Blicke, Unsicherheit, manche eilen weiter, in der Hoffnung, unbehelligt in die Ausstellung zu gelangen.
Es wird viel geschmunzelt, manchmal auch gelacht, wenn die Geschichte aufgeklärt wird: „Nehmen Sie eine Einschrittskarte! Schreiten Sie ein — gegen Spekulation mit Nahrungsmitteln.“ Das erreicht die Leute, ist mein Eindruck. Manche unterzeichnen gleich im Eingangsbereich.
Durchgefroren ziehe ich mich nach vier Stunden in die Occupy-Halle zurück. Dort weht der kalte Wind vermischt mit Zigarettenrauch durch die offenen Türen hinein. Draussen war es angenehmer.
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