Biennale: 3/8 gute Nachrichten

von | 5. Mai 2012 | 0 Kommentare

Heu­te mor­gen auf der Bien­na­le in Ber­lin:  Ich kom­me in die Occu­py-Hal­le.  Bin viel zu früh dran.  Auf einem Sofa schläft ein Akti­vist.  Er schnarcht.  Ich benei­de ihn, denn ich bin spät ange­kom­men und habe nicht gut geschlafen.

Sonst ist alles still in der Hal­le.  Die Revo­lu­ti­on fin­det spä­ter statt.

Das ist Occupy

In der Ecke, in die man unse­ren Stand in einer dik­ta­to­ri­schen Ent­schei­dung ver­frach­tet hat­te, sieht es nach fünf Tagen Abwe­sen­heit schlim­mer aus als erwar­tet.  Von acht Pla­ka­ten hän­gen noch drei.  Der Rest ist ver­schwun­den.  3/8 sind für Occu­py aber ver­mut­lich schon ein gutes Ergebnis.

Ich habe eng­li­sche Über­set­zun­gen für alle Tex­te ange­fer­tigt, Boris hat sie auf extra fes­ten Kar­ton gedruckt.  Ein Teil der Arbeit war ver­ge­bens.  Respekt für unse­re Arbeit erwar­te ich hier aller­dings sowie­so nicht mehr.  Ob die auf­wän­dig pro­du­zier­ten Dru­cke der ver­schwun­de­nen Pla­ka­te noch mal auftauchen?

Zwei Bil­der hung­ri­ger, aus­ge­mer­gel­ter Kin­der wur­den dazu gestellt.  Dass das nicht unse­re Art der Dar­stel­lung des Pro­blems ist, küm­mert offen­bar nicht.  Occu­py okku­piert Occupy:Occupy.

Ich bin müde, nicht nur phy­sisch.  Eines hellt mei­ne Stim­mung aber auf:  Immer­hin lie­gen zir­ka  200 Unter­schrif­ten auf dem Tisch vor den Pla­ka­ten.  Der Stand lief wohl auch von allei­ne.  Lee­re Unter­schrifts­bö­gen waren nicht mehr dort.  Offen­bar fühl­te sich nie­mand von Occu­py zustän­dig oder in der Lage, lee­re Lis­ten aus­zu­le­gen.  Letz­te Woche wur­de Hil­fe zuge­sagt.  Sie ist offen­bar ausgeblieben.

Wäh­rend ich den Stand ord­ne, den Müll weg­räu­me und belie­bi­ge ande­re Pla­ka­te und Fly­er bei­sei­te räu­me, die den Tisch fül­len, fällt ein Teil des Pack­pa­piers vom Rest der Wand her­un­ter.  Ich igno­rie­re es.  Auch jetzt, am Abend, Stun­den spä­ter, liegt der mitt­ler­wei­le völ­lig von der Wand abge­lös­te Papier­hau­fen noch dort.  Ein­la­dend sieht anders aus.  Ich war­te auf den typi­schen Akti­vis­ten, der in die­sen Augen­bli­cken meist die Erklä­rung parat hat:  Das ist Occupy.

Der Held des Tages …

… ist smir­re!  Sei­ne Idee der „Ein­schritts­kar­te“ ist ein vol­ler Erfolg.  Statt am Stand auf sich zufäl­lig ver­ir­ren­de Besu­cher zu war­ten, stel­le ich mich am Ein­gang auf und fra­ge so gut wie jeden Besu­cher, ob er oder sie denn schon eine Ein­schritts­kar­te hät­ten.  Fra­gen­de Bli­cke, Unsi­cher­heit, man­che eilen wei­ter, in der Hoff­nung, unbe­hel­ligt in die Aus­stel­lung zu gelangen.

Es wird viel geschmun­zelt, manch­mal auch gelacht, wenn die Geschich­te auf­ge­klärt wird: „Neh­men Sie eine Ein­schritts­kar­te!  Schrei­ten Sie ein — gegen Spe­ku­la­ti­on mit Nah­rungs­mit­teln.“  Das erreicht die Leu­te, ist mein Ein­druck.  Man­che unter­zeich­nen gleich im Eingangsbereich.

Durch­ge­fro­ren zie­he ich mich nach vier Stun­den in die Occu­py-Hal­le zurück.  Dort weht der kal­te Wind ver­mischt mit Ziga­ret­ten­rauch durch die offe­nen Türen hin­ein.  Draus­sen war es angenehmer.

0 Kommentare

Einen Kommentar abschicken

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Zum Nachlesen
Hier finden Sie eine Übersicht über alle unsere Artikel vom März 2012 bis heute.

Hungermarsch nach Berlin
Die Petition wurde zu Fuss in 16 Tagen und mehr als 500 km nach Berlin getragen.

Kommentare zur Petition

Das sagen Politiker

24 % der angefragten Politiker und Partei-Organisationen haben uns geantwortet — ein ernüchterndes Ergebnis.

Eine Auswahl der Stimmen:

Lesen Sie alle Reaktionen hier.

Neueste Artikel

Dilemma?

Dilemma?

Es wäre so schön, eine ver­läss­li­che Instanz zu haben, die eine deut­li­che und unum­stöss­li­che Ant­wort auf die Fra­ge lie­fern könn­te: Ist Spe­ku­la­ti­on mit Nah­rungs­mit­teln ver­ant­wort­lich für stei­gen­de Nahrungsmittelpreise?

mehr lesen
Auf keinen Fall!

Auf keinen Fall!

Die­se Mel­dung  auf den Oxfam-Web­sei­ten ist eher unter­ge­gan­gen.: „Die EU-Finanz­mi­nis­ter haben kei­ne wirk­sa­men Regeln für die Ein­däm­mung von Nah­rungs­mit­tel­spe­ku­la­ti­on auf den Weg gebracht.“

mehr lesen
EU-weit gescheitert?

EU-weit gescheitert?

Um über­haupt etwas zu errei­chen, haben wir stets für eine deut­sche Lösung gewor­ben. Die NGOs such­ten dage­gen einen euro­päi­schen Ansatz. Heu­te war bei food­watch zu lesen: „EU-Maß­nah­men gegen Nah­rungs­mit­tel­spe­ku­la­ti­on wirkungslos“.

mehr lesen
Deutsche Bank weiss um schädliche Folgen der Nahrungsmittelspekulation

Deutsche Bank weiss um schädliche Folgen der Nahrungsmittelspekulation

food­watch berich­tet auf sei­ner Web­sei­te über ver­trau­li­che, inter­ne Papie­re der Deut­schen Bank und der Alli­anz. Ent­ge­gen öffent­li­cher Äuße­run­gen gehen die Unter­neh­men selbst davon aus, dass Spe­ku­la­ti­on mit Agrar­roh­stof­fen zu Hun­ger füh­ren kann.

mehr lesen
Herbst in Europa

Herbst in Europa

Mitt­ler­wei­le sind es zwölf Orga­ni­sa­tio­nen, die die Initia­ti­ve gegen Spe­ku­la­ti­on mit Nah­rungs­mit­teln auf euro­päi­scher Ebe­ne unter­stüt­zen. Die Chan­ce auf eine bun­des­deut­sche Rege­lung wur­de bedau­er­li­cher­wei­se vertan.

mehr lesen
Diskurs: Pies und Henn

Diskurs: Pies und Henn

Es war eine Sen­sa­ti­ons­mel­dung pro­mi­nen­ter Medi­en: Dr. Ingo Pies, Wirt­schafts­ethi­ker an der Uni­ver­si­tät Hal­le, warf den NGOs schlam­pi­ge Recher­che vor beim The­ma Spe­ku­la­ti­on mit Nah­rungs­mit­teln. Pies blieb aller­dings Ant­wor­ten schuldig.

mehr lesen

An den Deutschen Bundestag
Knapp 27.000 Menschen haben diese Petition von Occupy und der KAB unterzeichnet.

Hungermarsch nach Berlin
Die Petition wurde zu Fuss in 16 Tagen und mehr als 500 km nach Berlin getragen.

Kampagnen-Video