Ja, was nun?

von | 28. Mai 2012 | 0 Kommentare

„Ich hab schon unterzeichnet!“

Häu­fig erhiel­ten wir an unse­ren Info­stän­den die­se Ant­wort auf unse­re Bit­te um Unter­stüt­zung der Peti­ti­on gegen Spe­ku­la­ti­on mit Nah­rungs­mit­teln.  Auf die Nach­fra­ge, wel­che Initia­ti­ve unter­zeich­net wur­de, folgt so gut wie immer ein Schul­ter­zu­cken: „Gibt’s denn mehrere?“

Ja, es gibt — und eine geziel­te Öffent­lich­keits­ar­beit der betei­lig­ten Orga­ni­sa­tio­nen, die zu einer Auf­klä­rung über die ver­schie­de­nen Aktio­nen füh­ren könn­te, ist nur schwer aus­zu­ma­chen:  Jeder kocht sein eige­nes Süpp­chen.  Von einer über­grei­fen­den Zusam­men­ar­beit im Inter­es­se des The­mas ganz zu schweigen …

Damit zumin­dest ein wenig Klar­heit in die Sup­pe gebracht wird, hier der Ver­such einer Über­sicht über die ver­schie­de­nen Aktio­nen zum The­ma Spe­ku­la­ti­on mit Nah­rungs­mit­teln:

I. Appelle an die „europäische Politik“ und die Deutsche Bank

18. Okto­ber 2012:  foodwatch
food­watch prä­sen­tiert das The­ma in dem Report „Die Hun­ger­ma­cher – Wie Deut­sche Bank, Gold­man Sachs & Co. auf Kos­ten der Ärms­ten mit Nah­rung spe­ku­lie­ren“.

Die­se For­de­run­gen gehen an die „euro­päi­sche Politik“:

  • Wirk­sa­me Posi­ti­ons­li­mits: Der rein spe­ku­la­ti­ve Han­del mit Roh­stoff-Futures muss begrenzt werden.
  • Insti­tu­tio­nel­le Anle­ger wie Ver­si­che­run­gen müs­sen vom Roh­stoff­ge­schäft aus­ge­schlos­sen werden.
  • Publi­kums­fonds und Zer­ti­fi­ka­te für Roh­stof­fe müs­sen ver­bo­ten werden.

Ein offe­ner Brief an Josef Acker­mann, den Vor­sit­zen­den der Deut­schen Bank und die eMail-Akti­on „Hän­de weg vom Acker, Mann!“, sor­gen für Medienpräsenz.

For­de­run­gen der eMail-Akti­on an die Deut­sche Bank sind:

  • Wider­set­zen Sie sich nicht mehr effek­ti­ver staat­li­cher Regu­lie­rung, um die schäd­li­che Spe­ku­la­ti­on mit Nah­rungs­mit­teln zu ver­hin­dern, son­dern unter­stüt­zen Sie die­se Regu­lie­rung aktiv!
  • Gehen Sie mit der Deut­schen Bank vor­an und stei­gen Sie aus jeg­li­cher Spe­ku­la­ti­on mit Nah­rungs­mit­teln aus!

Bis heu­te (28. Mai 2012) wur­de die eMail mehr als 63.500 mal ver­schickt.  Ergeb­nis­se der Akti­on sind bei food­watch zu finden.

II. Petitionen an den Deutschen Bundestag

6. März 2012: Occupy:Occupy
Occupy:Occupy (O:O) star­tet eine Unter­schrif­ten­samm­lung (online und auf Papier), die als Peti­ti­on an den Deut­schen Bun­des­tag ein­ge­reicht wer­den soll mit der Forderung:

  • Der Deut­sche Bun­des­tag möge beschlie­ßen, Spe­ku­la­ti­on mit Nah­rungs­mit­teln gesetz­lich zu verbieten. 
  • Aus­ge­nom­men sei­en Ter­min­ge­schäf­te, die rea­le Erzeu­ger und rea­le Abneh­mer der gehan­del­ten Nah­rungs­mit­tel unmit­tel­bar abschließen.

Bis heu­te (28. Mai 2012) wur­den mehr als 10.700 Unter­schrif­ten gesammelt.

17. März 2012: Katho­li­sche Arbeitnehmer-Bewegung
Die Katho­li­sche Arbeit­neh­mer-Bewe­gung Bam­berg (KAB) star­tet eine Unter­schrif­ten­ak­ti­on (auf Papier), die als Peti­ti­on an den Deut­schen Bun­des­tag ein­ge­reicht wer­den soll:

  1. Die Geset­ze zur Finanz­markt­re­gu­lie­rung müs­sen dahin­ge­hend geän­dert wer­den, dass insti­tu­tio­nel­le Inves­to­ren kei­ne Spe­ku­la­tio­nen mit Lebens­mit­teln täti­gen dürfen.
  2. Davon aus­ge­nom­men sind nur Anle­ger, die unmit­tel­bar mit dem Han­del oder der Pro­duk­ti­on von Agrar­gü­tern über­wie­gend beschäf­tigt sind. Für die­se Anle­ger sind Posi­ti­ons­li­mits, die nicht dazu geeig­net sind den Han­del zu beein­flus­sen, festzulegen.
  3. Zer­ti­fi­ka­te und Publi­kums­fonds für indi­vi­du­el­le Anle­ger müs­sen ver­bo­ten werden.
  4. Die Spe­ku­la­tio­nen mit Lebens­mit­teln außer­halb der Bör­sen sind zu untersagen.
  5. Alle Trans­ak­tio­nen sol­len offen­ge­legt wer­den um die Mög­lich­keit der Über­prü­fung zu gewähr­leis­ten.Dar­über hin­aus beschließt der Bun­des­tag ent­spre­chen­de Rich­tungs­an­zei­gen für die Bun­des­re­gie­rung, die dazu geeig­net sind, die auf EU-Ebe­ne beschlos­se­nen und noch zu beschlie­ßen­den Geset­ze im Sin­ne der oben genann­ten For­de­run­gen zu unter­stüt­zen und voranzubringen.

Bis heu­te (28. Mai 2012) wur­den mehr als 9.000 Unter­schrif­ten gesammelt.

28. März 2012: Zusam­men­ar­beit von KAB und O:O
Die KAB und Occupy:Occupy geben eine Zusam­men­ar­beit bekannt.  Auch wenn die For­de­run­gen unter­schied­lich for­mu­liert sind, ver­fol­gen sie die glei­chen Zie­le.  Es wird beschlos­sen, gegen­über dem Peti­ti­ons­aus­schuss des Deut­schen Bun­des­tags gemein­sam aufzutreten.

III. Appelle der Nichtregierungsorganisationen

9. April 2012: sie­ben NRO
Sie­ben Nicht­re­gie­rungs­or­ga­ni­sa­tio­nen (NRO) brin­gen einen Appell an Bun­des­mi­nis­ter Schäub­le auf den Weg.  Die Ziel­rich­tung ist die euro­päi­sche Ebe­ne.  Der Text des Appells ist nicht ein­heit­lich, hier die meist benutz­te Version:

Wir for­dern:

  • Trans­pa­renz an den Roh­stoff­bör­sen durch­zu­set­zen (z.B. durch stren­ge Berichtspflichten)
  • ein Ver­bot von Invest­ment­fonds an den Agrarrohstoffmärkten
  • strik­te Beschrän­kun­gen für den Ter­min­han­del mit Nah­rungs­mit­teln (zum Bei­spiel durch unum­schiff­ba­re Positionslimits)
  • wirk­sa­me Kon­trol­len durch star­ke Auf­sichts­be­hör­den, die auch prä­ven­tiv ein­grei­fen können.

Betei­lig­te NROs sind (in Klam­mern der Stand der Unter­schrif­ten am 28. Mai 2012):

April/Mai 2012: ande­re NRO
Ande­re Orga­ni­sa­tio­nen schlies­sen sich der euro­päi­schen Initia­ti­ve an:

  • med­ico inter­na­tio­nal (492 seit 23. April 2012)
  • Terre des Hom­mes (kei­ne Anga­ben zu Unterzeichnungen)
  • FIAN (ist laut attac eben­falls bei den Unter­stüt­zern, aller­dings fin­den sich bis heu­te [28. Mai 2012] kei­ne Anga­ben dazu auf den FIAN-Webseiten)

23. Mai 2012: Campact
Cam­pact
tritt in Erschei­nung. Bun­des­land­wirt­schafts­mi­nis­te­rin Aigner wird als wei­te­re Adres­sa­tin der For­de­run­gen aufgeführt.

Nach 24 Stun­den gibt es bereits über 50.000 Unter­schrif­ten, bis heu­te (28. Mai 2012) wur­den knapp 69.000 Unter­schrif­ten gesam­melt.  Hin­ter­grund:  Cam­pact hat einen News­let­ter-Ver­tei­ler von über 600.000 Adressen.

Fazit
Wenn heu­te jemand nach den ver­schie­de­nen Initia­ti­ven fragt, fällt eine ein­fa­che und kla­re Ant­wort schwer.  Der Zeit­be­darf für eine Erklä­rung der Sze­ne ist mitt­ler­wei­le grös­ser, als der für eine Ein­füh­rung ins The­ma der Nahrungsmittelspekulation.

Die gros­sen Spie­ler der NRO beherr­schen auf­grund ihrer Reich­wei­te die Sze­ne mit einer Macht, die Kol­la­te­ral­schä­den bil­li­gend in Kauf nimmt:  Es sind Unter­schrif­ten für die ver­schie­de­nen Kam­pa­gnen ver­lo­ren gegan­gen, da ein gemein­sa­mes Mar­ke­ting oder auch nur ein koor­di­nier­tes Vor­ge­hen ver­säumt wurden.

0 Kommentare

Einen Kommentar abschicken

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Zum Nachlesen
Hier finden Sie eine Übersicht über alle unsere Artikel vom März 2012 bis heute.

Hungermarsch nach Berlin
Die Petition wurde zu Fuss in 16 Tagen und mehr als 500 km nach Berlin getragen.

Kommentare zur Petition

Das sagen Politiker

24 % der angefragten Politiker und Partei-Organisationen haben uns geantwortet — ein ernüchterndes Ergebnis.

Eine Auswahl der Stimmen:

Lesen Sie alle Reaktionen hier.

Neueste Artikel

Dilemma?

Dilemma?

Es wäre so schön, eine ver­läss­li­che Instanz zu haben, die eine deut­li­che und unum­stöss­li­che Ant­wort auf die Fra­ge lie­fern könn­te: Ist Spe­ku­la­ti­on mit Nah­rungs­mit­teln ver­ant­wort­lich für stei­gen­de Nahrungsmittelpreise?

mehr lesen
Auf keinen Fall!

Auf keinen Fall!

Die­se Mel­dung  auf den Oxfam-Web­sei­ten ist eher unter­ge­gan­gen.: „Die EU-Finanz­mi­nis­ter haben kei­ne wirk­sa­men Regeln für die Ein­däm­mung von Nah­rungs­mit­tel­spe­ku­la­ti­on auf den Weg gebracht.“

mehr lesen
EU-weit gescheitert?

EU-weit gescheitert?

Um über­haupt etwas zu errei­chen, haben wir stets für eine deut­sche Lösung gewor­ben. Die NGOs such­ten dage­gen einen euro­päi­schen Ansatz. Heu­te war bei food­watch zu lesen: „EU-Maß­nah­men gegen Nah­rungs­mit­tel­spe­ku­la­ti­on wirkungslos“.

mehr lesen
Deutsche Bank weiss um schädliche Folgen der Nahrungsmittelspekulation

Deutsche Bank weiss um schädliche Folgen der Nahrungsmittelspekulation

food­watch berich­tet auf sei­ner Web­sei­te über ver­trau­li­che, inter­ne Papie­re der Deut­schen Bank und der Alli­anz. Ent­ge­gen öffent­li­cher Äuße­run­gen gehen die Unter­neh­men selbst davon aus, dass Spe­ku­la­ti­on mit Agrar­roh­stof­fen zu Hun­ger füh­ren kann.

mehr lesen
Herbst in Europa

Herbst in Europa

Mitt­ler­wei­le sind es zwölf Orga­ni­sa­tio­nen, die die Initia­ti­ve gegen Spe­ku­la­ti­on mit Nah­rungs­mit­teln auf euro­päi­scher Ebe­ne unter­stüt­zen. Die Chan­ce auf eine bun­des­deut­sche Rege­lung wur­de bedau­er­li­cher­wei­se vertan.

mehr lesen
Diskurs: Pies und Henn

Diskurs: Pies und Henn

Es war eine Sen­sa­ti­ons­mel­dung pro­mi­nen­ter Medi­en: Dr. Ingo Pies, Wirt­schafts­ethi­ker an der Uni­ver­si­tät Hal­le, warf den NGOs schlam­pi­ge Recher­che vor beim The­ma Spe­ku­la­ti­on mit Nah­rungs­mit­teln. Pies blieb aller­dings Ant­wor­ten schuldig.

mehr lesen

An den Deutschen Bundestag
Knapp 27.000 Menschen haben diese Petition von Occupy und der KAB unterzeichnet.

Hungermarsch nach Berlin
Die Petition wurde zu Fuss in 16 Tagen und mehr als 500 km nach Berlin getragen.

Kampagnen-Video