Bad Kösen (Tag 8)

von | 22. Juni 2012

Das Wan­dern ist zur eigen­stän­di­gen Rou­ti­ne gewor­den, Zeit hat für mich kei­ne gros­se Bedeu­tung mehr.  Schmer­zen­de Füs­se und das Bestre­ben, mög­lichst nicht viel län­ger als acht Stun­den pro Tag zu gehen, sind Tri­bu­te an die Realität.

Der Weg aus Wei­mar hin­aus führt uns über den Platz der Demo­kra­tie — eigent­lich ein Zei­chen, aber die weni­gen Men­schen las­sen sol­che Plät­ze als untaug­li­chen Ver­such erschei­nen, etwas Sub­stan­ti­el­les aus­zu­drü­cken.  Schö­ne Park­an­la­gen, die übli­chen gros­sen Fel­der des Ostens und der Fluss Ilm beglei­ten uns aus Wei­mar hin­aus.  Es ist tro­cken, aber trü­be.  Die Stim­mung hält sich in Gren­zen, die Aus­ge­las­sen­heit eines hei­te­ren Tags fehlt.

Mario wan­dert heu­te nur die Hälf­te der Distanz, er muss zurück nach Würz­burg.  In Apol­da brin­gen wir ihn bis zum Bahn­hof.  Er steigt in den Zug Rich­tung Erfurt, wo er vor zwei Tagen sei­nen Motor­rol­ler abge­stellt hat.  Hof­fent­lich erwischt ihn nicht wie­der ein Dau­er­re­gen auf dem Zweirad.

Der Rest unse­rer nun­mehr klei­ne­ren Grup­pe nutzt die Gele­gen­heit und erst­mals einen Zug, um die Tages­di­stanz ein wenig abzu­kür­zen.  Die 13 km flie­gen in neun Minu­ten an uns vor­bei — anstatt in fast drei Stun­den auf den Soh­len.  Wie­viel Zeit hät­ten wir mit der Bahn benö­tigt, wären wir von Frank­furt nach Ber­lin gefah­ren?  Fünf Stun­den?  Teu­rer wäre es auch nicht gewe­sen und wir hät­ten viel­leicht sogar einen Bun­des­tags­ab­ge­ord­ne­ten im Zug-Bis­tro getrof­fen.  Doch wir wol­len ja ein Zei­chen set­zen:  Ver­ant­wor­tung für einen Gedan­ken über­neh­men, auf die kras­se Ver­let­zung der Men­schen­rech­te durch unser Land hin­wei­sen — und es hört noch immer fast nie­mand zu.  Es ist gut, dass wir wandern.

Am Abend ist Halb­zeit:  Acht von sech­zehn Tagen sind vor­bei.  Auch die Distanz hat sich mehr oder weni­ger halbiert.

Ich füh­le mich erst­mals müde und abge­spannt.  Nachts don­nern Züge durch das Tal und wecken mich immer wie­der.  Im Halb­schlaf den­ke ich, dass es die Ver­gel­tung dafür ist, dass wir nicht die kom­plet­te Stre­cke gelau­fen sind.

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