Das Wandern ist zur eigenständigen Routine geworden, Zeit hat für mich keine grosse Bedeutung mehr. Schmerzende Füsse und das Bestreben, möglichst nicht viel länger als acht Stunden pro Tag zu gehen, sind Tribute an die Realität.
Der Weg aus Weimar hinaus führt uns über den Platz der Demokratie — eigentlich ein Zeichen, aber die wenigen Menschen lassen solche Plätze als untauglichen Versuch erscheinen, etwas Substantielles auszudrücken. Schöne Parkanlagen, die üblichen grossen Felder des Ostens und der Fluss Ilm begleiten uns aus Weimar hinaus. Es ist trocken, aber trübe. Die Stimmung hält sich in Grenzen, die Ausgelassenheit eines heiteren Tags fehlt.
Mario wandert heute nur die Hälfte der Distanz, er muss zurück nach Würzburg. In Apolda bringen wir ihn bis zum Bahnhof. Er steigt in den Zug Richtung Erfurt, wo er vor zwei Tagen seinen Motorroller abgestellt hat. Hoffentlich erwischt ihn nicht wieder ein Dauerregen auf dem Zweirad.
Der Rest unserer nunmehr kleineren Gruppe nutzt die Gelegenheit und erstmals einen Zug, um die Tagesdistanz ein wenig abzukürzen. Die 13 km fliegen in neun Minuten an uns vorbei — anstatt in fast drei Stunden auf den Sohlen. Wieviel Zeit hätten wir mit der Bahn benötigt, wären wir von Frankfurt nach Berlin gefahren? Fünf Stunden? Teurer wäre es auch nicht gewesen und wir hätten vielleicht sogar einen Bundestagsabgeordneten im Zug-Bistro getroffen. Doch wir wollen ja ein Zeichen setzen: Verantwortung für einen Gedanken übernehmen, auf die krasse Verletzung der Menschenrechte durch unser Land hinweisen — und es hört noch immer fast niemand zu. Es ist gut, dass wir wandern.
Am Abend ist Halbzeit: Acht von sechzehn Tagen sind vorbei. Auch die Distanz hat sich mehr oder weniger halbiert.
Ich fühle mich erstmals müde und abgespannt. Nachts donnern Züge durch das Tal und wecken mich immer wieder. Im Halbschlaf denke ich, dass es die Vergeltung dafür ist, dass wir nicht die komplette Strecke gelaufen sind.
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