Die Reaktion der Medien war bisher nicht sonderlich gross auf das „Interview“ mit Ingo Pies. Bedenkt man, was der Wirtschaftsethiker an der Universität Halle geäussert hat, dann überrascht das. Die Süddeutsche Zeitung titelt: Wirtschaftsethiker wirft NGO schlampige Recherche vor — das ist starker Tobak.
Wir von Occupy:Occupy hätten uns allerdings bereits gefreut über einen Bruchteil an Medienpräsenz, aber auch hier gilt die alte Presseweisheit, dass der Postbote den Hund beissen muss, um Aufmerksamkeit zu bekommen.
Nun ist es stets das Anliegen von Occupy:Occupy gewesen, zwar pointiert, aber auch im Sinne von Wahrheit und Klarheit zu berichten. Folglich ist eine Auseinandersetzung mit der prominent publizierten Position von Ingo Pies unumgänglich. Ich gebe zu: Das fällt mir schwer. Wie will ich einem Wissenschaftler Paroli bieten?
Um Pies’ Ausführungen einfach so vom Tisch zu wischen, sind sie einerseits zu lang und komplex. Zudem ist seine Stellung als Wirtschaftsethiker zu herausgehoben. Andererseits gibt es banale Passagen, die das Gefühl nähren, dass eine Auseinandersetzung mit seinen Aussagen verschwendete Zeit ist. Teilweise kann in dem Interview eine seltsam einfach strukturierte Wahrnehmung der Realität beobachtet werden.
So ist Pies offenbar tatsächlich der Ansicht, dass unsere Landwirte einen gehörigen Teil ihrer Zeit am Finanzmarkt verbringen, um ein Termingeschäft nach dem nächsten abzuschliessen, je nach Marktlage long oder short zu gehen und mit den grossen Jungs aus der Branche zu spekulieren. Es ist Herrn Pies anzuraten, ein paar bäuerliche Betriebe zu besuchen.
Auch der im Zusammenhang mit Nahrungsmittelspekulation geäusserte Gedanke, dass „ein hohes Volumen an Sportwetten praktisch keinen Einfluss darauf hat, welche Leistungen die Sportler im Wettkampf erbringen“ ist nicht gerade eine Einsicht, die ich im Zusammenhang mit der eigentlich diskutierten Problematik für eindeutig wahr und hilfreich halte.
In der Süddeutschen und auch bei der Frankfurter Allgemeinen Zeitung nehmen diverse Kommentatoren die Pies’sche Sicht der Dinge auseinander — und das zum grossen Teil in überzeugenderer Weise als Pies’ „wissenschaftliche“ Ausführungen. Ich kann die Lektüre dieser Lesermeinungen nur empfehlen.
Noch erhellender finde ich Jens Bergers Ausführungen zu Ingo Pies’ Aussagen — der Autor von nachdenkseiten.de schreibt das, wozu mir momentan Zeit und Kraft fehlen. Netterweise hat er die Erlaubnis gegeben, seinen Artikel hier bei Occupy:Occupy zu veröffentlichen. Danke, Jens Berger!
Andreas Winkler von foodwatch äussert sich auf der Webseite Das Liberale Institut: