Grosse Dinge

von | 22. November 2013 | 8 Kommentare

Politik: Grosse Koalition

Ich habe die Äus­se­run­gen noch in den Ohren:  Wenn wir die Mehr­heit hät­ten, ja, dann könn­ten wir etwas bewe­gen beim The­ma Spe­ku­la­ti­on mit Nah­rungs­mit­teln.  Wir stan­den auf dem Platz der Repu­blik und alle erschie­ne­nen Bun­des­tags­ab­ge­ord­ne­ten benutz­ten mehr oder weni­ger die glei­che Phrase.

Nun hat die SPD momen­tan die Chan­ce, das The­ma in die Koali­ti­ons­ver­hand­lun­gen ein­zu­brin­gen.  An die Öffent­lich­keit dringt nichts dar­über, ande­re The­men ste­hen im Vor­der­grund.  Wir wer­den sehen, wie ernst­haft die Aus­sa­gen der Poli­ti­ker waren, wenn der Koali­ti­ons­ver­trag auf dem Tisch liegt.  Viel Hoff­nung habe ich — mal wie­der — nicht.

Foodwatch: Grosse Neuigkeiten

Bereits im August 2013 berich­te­te Occupy:Occupy über Hans-Hein­rich Bass’ Aus­füh­run­gen, die er im Auf­trag der Welt­hun­ger­hil­fe unter dem Titel „Spe­ku­la­ti­on mit Nah­rungs­mit­teln: Wo steht die Wis­sen­schaft?“ ver­öf­fent­licht hat.  Bass’ Schluss­fol­ge­run­gen waren mehr als nachvollziehbar.

Jetzt hat Food­watch noch­mal nach­ge­legt und bei dem Bre­mer Pro­fes­sor für Inter­na­tio­na­le Wirt­schaft eine Meta­stu­die zu den Stu­di­en über das The­ma Nah­rungs­mit­tel­spe­ku­la­ti­on in Auf­trag gege­ben (Finanz­spe­ku­la­ti­on und Nah­rungs­mit­tel­prei­se: Anmer­kun­gen zum Stand der For­schung).  Food­watch fasst das Ergeb­nis für den unge­dul­di­gen Leser unter ande­rem so zusammen:

  1. Die The­sen von Pies und Glau­ben sind wis­sen­schaft­lich unlauter.
  2. Deut­sche Bank und Alli­anz recht­fer­ti­gen ihr Geschäft mit halt­lo­sen Argumenten.

  3. (Quel­le: foodwatch.org)

Ich bin nicht überrascht.

Grosse Fehleinschätzung

Noch eine Stu­die also.  Wird Pies dar­auf ant­wor­ten? Wie wer­den Deut­sche Bank und Alli­anz reagie­ren?  Wer­den nach Food­watch nun auch Oxfam, Cam­pact und die ande­ren Ver­tre­ter der Koali­ti­on gegen Spe­ku­la­ti­on mit Nah­rungs­mit­teln wei­te­re Stu­di­en vor­le­gen?  Wird es eine neue Medi­en­prä­senz zum The­ma geben?

Merkt es kei­ner?  Die­se Ten­denz, sich auf eine Debat­te abseits der betrof­fe­nen Men­schen zu fokus­sie­ren — ist das tat­säch­lich ziel­füh­rend?  Ich mei­ne: nein.

Ja, es ist ver­nünf­tig, mehr über das The­ma zu ler­nen, zu for­schen und an einem bes­se­ren Ver­ständ­nis  zu arbei­ten.  Dafür sind Stu­di­en und Stu­di­en über Stu­di­en gut geeig­net.  Doch wuss­ten wir nicht schon vor der Bass’schen Stu­die, dass Pies teil­wei­se einen solch hane­bü­che­nen Unsinn auf­ge­schrie­ben hat, dass auch die etwas harm­lo­se­ren Pas­sa­gen sei­ner Pro-Spe­ku­la­ti­ons­ar­beit kei­ne Glaub­wür­dig­keit rekla­mie­ren konnten?

Die ent­schei­den­de Fra­ge ist:  Was hilft eine wei­te­re Stu­die den betrof­fe­nen Men­schen in den armen Län­dern?  Ich behaup­te: nichts.

Grosse Einigkeit und grosse Ratlosigkeit

Wenn es stimmt, dass in unse­rem Land ein weit­ge­hen­der Kon­sens dar­über herrscht, dass Spe­ku­la­ti­on mit Nah­rungs­mit­teln nicht gewollt ist, wenn alle poli­ti­schen Par­tei­en behaup­ten, dass sie die­se Spe­ku­la­tio­nen nicht  gut heis­sen — war­um schafft es unse­re Gesell­schaft nicht, die­se weit­ge­hen­de Ein­hel­lig­keit in eine gesell­schaft­li­che Rea­li­tät umzuwandeln?

War­um las­sen die Food­watchs die­ser Welt immer wei­te­re Stu­di­en pro­du­zie­ren, anstatt von den gewähl­ten Volks­ver­tre­tern (die ja alle vor­ge­ben, gegen die­se Spe­ku­la­ti­on zu sein) zu ver­lan­gen, end­lich tätig zu werden?

War­um schaf­fen es die mäch­ti­gen Nicht­re­gie­rungs­or­ga­ni­sa­tio­nen nicht, den Stand der Peti­tio­nen an den Deut­schen Bun­des­tag zu the­ma­ti­sie­ren, die seit mehr als einem Jahr dem Peti­ti­ons­aus­schuss vor­lie­gen und offen­bar nicht ernst genom­men werden?

Anstatt das Nahe­lie­gen­de zu tun, näm­lich unse­re ganz per­sön­li­che Ver­ant­wor­tung wahr­zu­neh­men und zu bemän­geln, dass unse­re Gesell­schaft (sprich: wir) ver­sagt bei der Kon­trol­le der poli­ti­schen Gre­mi­en, wird Papier produziert.

Papier kann man nicht essen, oder?

8 Kommentare

  1. Hans walter putze

    Ein dut­zend Welt­kon­zer­ne beherr­schen Was­ser und Nah­rung. das hat die Welt nicht gewollt.

    Antworten
  2. Gerhard

    wie könn­te man ein Netz­werk erstel­len von occu­py, food­watch, attac, green­peace, um gemein­sam Druck in Ber­lin auszuüben?
    auf­ein­an­der schimp­fen, dass die ande­ren zu wenig tun bringt uns ja auch nicht weiter.

    Antworten
    • Frank Jermann

      Glau­ben Sie mir, Ger­hard: Kei­ne der NGOs war ernst­haft inter­es­siert, das The­ma auf natio­na­ler Ebe­ne anzu­ge­hen. Das fest­zu­stel­len ist kein Schimp­fen, son­dern die Dar­stel­lung der Fakten.

      Da die euro­päi­sche Initia­ti­ve der NGOs (nach deren eige­ner Aus­sa­ge) bis­her ergeb­nis­los ver­lau­fen ist, erscheint es mir gerecht­fer­tigt, immer wie­der mal auf das stra­te­gisch unzu­rei­chen­de Vor­ge­hen der NGOs hinzuweisen.

      Wel­chen Ein­fluss haben wir Bür­ger in Brüs­sel? Wel­chen Ein­fluss könn­ten wir dage­gen in Ber­lin haben — wenn wir unse­re Poli­ti­ker ledig­lich ernst­haft auf­for­der­ten, ihre Arbeit zu machen?

      Antworten
  3. Gerhard Schäfer

    Leu­te, die das tun, soll­te das Gewis­sen plagen

    Antworten
    • Frank Jermann

      Ich stim­me Ihnen zu, Herr Schäfer. 

      Wir wis­sen alle (nun gut, „soll­ten wis­sen“ wäre bes­ser for­mu­liert), dass die­je­ni­gen, die pro­fi­tie­ren sind:

      1. Unter­neh­men wie die Deut­sche Bank und die Allianz,
      2. deren Anteils­eig­ner sowie
      3. jeder, der mit den Unter­neh­men Geschäf­te macht — und das ist im Zwei­fel auch der pri­vat Versicherte. 

      Wen von denen wird das Gewis­sen plagen?

      Kurz­fris­tig wird nur ein Geset­zes­in­itia­ti­ve sei­tens der Par­la­men­ta­ri­er etwas ver­än­dern kön­nen. Wenn wir (also auch die, die nicht unter die Punk­te 1 bis 3 fal­len) unse­re Poli­ti­ker nicht dazu brin­gen kön­nen, hier tätig zu wer­den, dann müs­sen wir auch unser eige­nes Gewis­sen über­prü­fen, fin­de ich.

      Antworten
  4. Kathrin

    Es sieht ja fast so aus, als erfüll­ten die­se NGOs eine Ali­bi-Funk­ti­on. Ich den­ke, sobald eine NGO wie Food­watch eine gewis­se Reich­wei­te gewon­nen hat, ste­hen die Lob­by­is­ten auf der Mat­te und fah­ren ihren Bauch­la­den der Macht aus. Wer kann da widerstehen?

    Antworten
    • Frank Jermann

      Es ist schwie­rig, das zu beur­tei­len, Kath­rin. Ich glau­be, dass die NGOs durch­aus heh­re Absich­ten ver­fol­gen. Es gibt aller­dings Aspek­te, die mich mehr und mehr beschäf­ti­gen. Irgend­wann wer­de ich dazu etwas schreiben.

      Antworten
  5. Krititizist

    Wo ist die Alter­na­ti­ve? Wie kann Mensch sich oko­lo­gisch, fair, glo­bal-freund­lich ver­si­chern? Wo sind die Soli­dar-Gemein­schaf­ten die soet­was, wie Scha­dens-Kom­pen­sa­ti­on/ ‑Aus­gleich, Ver­sor­gung im Fall eines Ausfalls/Unfalls & Krank­heit, Ver­sor­gung im Fall einer Erwerbs­min­de­rung,.. gewährleisten?
    Soll­ten soet­was Kom­mu­nen leis­ten? Soll­te soet­was eher über Nach­bar­schaft­li­che Hil­fe orga­ni­siert sein, als über Geld? Da ist noch nicht alles an Phan­ta­sie aus­ge­schöpft, mene ich. Und noch zu wenig bekannt, wel­che alter­na­ti­ve Initia­ti­ven es schon gibt und erprobt werden.

    Antworten

Einen Kommentar abschicken

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Zum Nachlesen
Hier finden Sie eine Übersicht über alle unsere Artikel vom März 2012 bis heute.

Hungermarsch nach Berlin
Die Petition wurde zu Fuss in 16 Tagen und mehr als 500 km nach Berlin getragen.

Kommentare zur Petition

Das sagen Politiker

24 % der angefragten Politiker und Partei-Organisationen haben uns geantwortet — ein ernüchterndes Ergebnis.

Eine Auswahl der Stimmen:

Lesen Sie alle Reaktionen hier.

Neueste Artikel

Auf keinen Fall!

Auf keinen Fall!

Die­se Mel­dung  auf den Oxfam-Web­sei­ten ist eher unter­ge­gan­gen.: „Die EU-Finanz­mi­nis­ter haben kei­ne wirk­sa­men Regeln für die Ein­däm­mung von Nah­rungs­mit­tel­spe­ku­la­ti­on auf den Weg gebracht.“

mehr lesen
EU-weit gescheitert?

EU-weit gescheitert?

Um über­haupt etwas zu errei­chen, haben wir stets für eine deut­sche Lösung gewor­ben. Die NGOs such­ten dage­gen einen euro­päi­schen Ansatz. Heu­te war bei food­watch zu lesen: „EU-Maß­nah­men gegen Nah­rungs­mit­tel­spe­ku­la­ti­on wirkungslos“.

mehr lesen
Deutsche Bank weiss um schädliche Folgen der Nahrungsmittelspekulation

Deutsche Bank weiss um schädliche Folgen der Nahrungsmittelspekulation

food­watch berich­tet auf sei­ner Web­sei­te über ver­trau­li­che, inter­ne Papie­re der Deut­schen Bank und der Alli­anz. Ent­ge­gen öffent­li­cher Äuße­run­gen gehen die Unter­neh­men selbst davon aus, dass Spe­ku­la­ti­on mit Agrar­roh­stof­fen zu Hun­ger füh­ren kann.

mehr lesen
Herbst in Europa

Herbst in Europa

Mitt­ler­wei­le sind es zwölf Orga­ni­sa­tio­nen, die die Initia­ti­ve gegen Spe­ku­la­ti­on mit Nah­rungs­mit­teln auf euro­päi­scher Ebe­ne unter­stüt­zen. Die Chan­ce auf eine bun­des­deut­sche Rege­lung wur­de bedau­er­li­cher­wei­se vertan.

mehr lesen
Diskurs: Pies und Henn

Diskurs: Pies und Henn

Es war eine Sen­sa­ti­ons­mel­dung pro­mi­nen­ter Medi­en: Dr. Ingo Pies, Wirt­schafts­ethi­ker an der Uni­ver­si­tät Hal­le, warf den NGOs schlam­pi­ge Recher­che vor beim The­ma Spe­ku­la­ti­on mit Nah­rungs­mit­teln. Pies blieb aller­dings Ant­wor­ten schuldig.

mehr lesen
Völlig eingeknickt

Völlig eingeknickt

Wir haben mitt­ler­wei­le Herbst — und die Chan­ce auf eine euro­päi­sche Lösung scheint vor­erst ver­spielt. In Brüs­sel wur­de das The­ma Nah­rungs­mit­tel­spe­ku­la­ti­on klein­ge­kocht, in Deutsch­land ist es so gut wie verschwunden.

mehr lesen

An den Deutschen Bundestag
Knapp 27.000 Menschen haben diese Petition von Occupy und der KAB unterzeichnet.

Hungermarsch nach Berlin
Die Petition wurde zu Fuss in 16 Tagen und mehr als 500 km nach Berlin getragen.

Kampagnen-Video